Am 6. November 2024 wurde die deutsche Politiklandschaft erschüttert: Kanzler Olaf Scholz entließ Finanzminister Christian Lindner und damit de facto die gesamte FDP aus der Ampelkoalition. Die Ampel-Regierungskoalition ist faktisch zerbrochen. Doch wie geht es jetzt weiter? Werden Neuwahlen angesetzt oder gibt es andere Optionen? Ein Überblick.
Der 6. November könnte als einer der bedeutendsten Tage der jüngeren deutschen Politikgeschichte in Erinnerung bleiben. Schon am Vormittag sorgte die Nachricht der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten für Schlagzeilen, doch abends brach die Ampelkoalition zusammen. Bundeskanzler Scholz entließ Finanzminister Lindner, was die FDP-Minister dazu veranlasste, ihre Regierungsämter niederzulegen. Alle Hintergründe lest ihr hier nochmal nach.
Markus Söder, Christian Lindner, Friedrich Merz, Dieter Reiter und Co. fordern sofortige Neuwahlen. Olaf Scholz hat derweilen angekündigt, Mitte Januar die Vertrauensfrage zu stellen – erst danach wären Neuwahlen möglich. Doch was genau heißt das alles?
Bundeskanzler Scholz hat angekündigt, am 15. Januar die sogenannte Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. Nach Artikel 68 des Grundgesetzes kann der Kanzler das Vertrauen des Bundestages offiziell einfordern. Scheitert er bei der Vertrauensfrage und erhält keine Mehrheit, kann er den Bundespräsidenten um die Auflösung des Bundestages und somit um Neuwahlen bitten.
Bei einer „unechten Vertrauensfrage“ handelt es sich um ein taktisches Mittel: Der Kanzler legt die Vertrauensfrage ein, zielt aber bewusst auf eine Niederlage ab. Ziel ist es, eine Auflösung des Bundestages herbeizuführen. Scholz deutete diese Absicht bereits mit der Entlassung von Finanzminister Lindner und den Worten „Es gibt keine Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit“ an.
Falls der Bundestag dem Kanzler das Vertrauen nicht ausspricht, liegt der nächste Schritt beim Bundespräsidenten. Er kann den Bundestag auflösen – ist aber nicht verpflichtet, dies zu tun. Er hat dafür 21 Tage Zeit. Alternativ könnte der Bundestag durch ein „konstruktives Misstrauensvotum“ eine neue Regierung wählen, indem er einen anderen Kanzler bestimmt. Ein Szenario, das aktuell jedoch als wenig wahrscheinlich gilt, da sich eine Mehrheit für CDU-Chef Friedrich Merz nicht abzeichnet.
Vertrauensfrage
Kanzler stellt Vertrauensfrage. Bei negativem Ausgang: Kanzler bittet um Bundestagsauflösung.
Entscheidung des Bundespräsidenten
Bundespräsident hat 21 Tage, um den Bundestag aufzulösen oder die Auflösung abzulehnen.
Anordnung der Neuwahlen
Bundespräsident setzt Neuwahlen an, die innerhalb von 60 Tagen stattfinden.
Wahlvorbereitung
Parteien stellen Programme und Kandidaten auf, Wahlkampf beginnt.
Wahltag
Bürger wählen ihren Direktkandidaten und eine Partei. Die Zweitstimme bestimmt die Sitzverteilung im Bundestag.
Auszählung und Hochrechnung
Stimmen werden ausgezählt, und ein vorläufiges Ergebnis wird veröffentlicht.
Koalitionsverhandlungen
Parteien verhandeln, um eine regierungsfähige Mehrheit und Koalition zu bilden.
Wahl des Bundeskanzlers
Bundespräsident schlägt einen Kanzlerkandidaten vor, der Bundestag wählt den neuen Kanzler.
Die Opposition könnte theoretisch das „konstruktive Misstrauensvotum“ nutzen, um den Kanzler abzusetzen und selbst einen neuen Kanzler vorzuschlagen. Dies würde allerdings eine breite Mehrheit erfordern, die derzeit nicht in Sicht ist. CDU-Chef Merz könnte hierbei als potenzieller Kandidat antreten, doch das bisherige Stimmenverhältnis spricht nicht für ein realistisches Votum.
Falls der Bundestag aufgelöst wird, bleibt die Bundesregierung zunächst geschäftsführend im Amt. Das bedeutet, dass der Kanzler und die Minister weiterhin ihre Aufgaben wahrnehmen – mit Ausnahme der FDP-Minister, die bereits zurückgetreten sind. Scholz könnte ihre Aufgaben auf andere Minister verteilen oder Nachfolger vorschlagen, um handlungsfähig zu bleiben. In dieser Übergangszeit wird Scholz auf die Kooperation der Opposition angewiesen sein, um dringende Projekte, wie die Stabilisierung der Renten und das Gemeinsame Europäische Asylsystem, weiter voranzubringen.
Ohne die Unterstützung der FDP und ohne stabile Mehrheitsverhältnisse im Bundestag steht der Bundeshaushalt 2025 in der Schwebe. Falls keine Einigung über den Haushalt erzielt wird, würde Deutschland in eine vorläufige Haushaltsführung übergehen, die nur essenzielle Ausgaben erlaubt. Eine vollumfängliche Finanzierung neuer Projekte wäre damit stark eingeschränkt.
Die Vertrauensfrage ist kein Alltagsinstrument in der deutschen Politik und wurde seit Bestehen der Bundesrepublik nur fünfmal gestellt. Zuletzt nutzte Bundeskanzler Gerhard Schröder 2005 diese Möglichkeit, um den Weg für Neuwahlen zu ebnen. Es bleibt spannend, ob Scholz einen ähnlichen Weg gehen wird.
Wie geht es also weiter? Das politische Berlin hält den Atem an – und wir bleiben dran, um alle Entwicklungen für Sie im Blick zu behalten.